Fast jede Wienerin und jeder Wiener kennt es – das Freigut Thallern bei Gumpoldskirchen. Wenn schon nicht von einem Besuch, dann zumindest vom Hörensagen oder aus dem Blickwinkel eines Passagiers eines an dem Anwesen vorbeirauschenden Zuges der Südbahn. Eingebettet in eine kleine Landschaftsbucht am Fuße des Anningers hat sich das Anwesen in den vergangenen Jahrzehnten weit über die Grenzen der Region hinaus seinen Ruf vor allem als erste Adresse für die Zubereitung der österreichischen Geflügelspezialität „Backhendel“ erworben.

Das Gut kann auf eine lange Geschichte verweisen. Nordöstlich vom Weinort Gumpoldskirchen schenkte Marktgraf Leopold IV. urkundlich im Jahre 1141 dem Stift Heiligenkreuz ein Grundstück. Das Stift errichtete daraufhin ein Gut, welches nach dem Vorbild französischer Weingüter geplant wurde. Mehrere unregelmäßig angeordnete Gebäude bilden das Gut. Weitere Gebäude sind das Prälatenstöckl, der Weinkeller, Wirtschafts- und Wohnhäuser. Ebenso sind noch Reste einer ehemaligen Wehrmauer vorhanden. Die Türkenkriege um das Jahr 1683 machten auch vor dem Freigut nicht halt. Nach seiner Zerstörungen wurden die Gebäude teilweise neu aufgebaut und verändert. Heute ist das das Freigut die zentrale Weinkellerei für alle Weingärten des Stiftes.

Seit einigen Jahren wird das Freigut auch als Tourismusprojekt revitalisiert. Der seit Jahrzehnten bestehende Landgasthof wurde einem umfassenden Facelifting nicht nur hinsichtlich der Optik, sondern auch vor allem bezüglich der Speisekarte unterzogen und zudem die Gebietsvinothek Thermenregion errichtet.

Seitdem hat sich das früher im Volksmund als „Backhendlfriedhof“ titulierte Klostergasthaus Thallern Zug um Zug zur Labestation für Leib und Seele für die Liebhaber einer gehobenen, auf klassischer Rezeptbasis beruhenden Küche entwickelt. Natürlich gibt es das so berühmte Thallener Backhenderl sowie anderes Federvieh weiterhin, wie immer in ausgezeichneter Qualität – nach wie vor ein Erlebnis für Freunde des Geflügels. Doch wer’s anderes will, dem steht die Welt der Speisegenüsse in vielfältigster Form offen. Auf der Karte findet sich jedenfalls alles, was in der Wiener Küche mit Recht Rang und Namen hat. Kalbsrahmbeuscherl, Grammelknödel mit Sauerkraut, Wiener Schnitzel, Schulterscherzl, gebratener Kalbsrücken etc. und last but not least Zwiebelrostbraten. Alles sehr liebevoll zubereitet und köstlich mundend. Nicht der weiteren Erwähnung wert, dass auch die Naschkatzen im Klostergasthaus voll auf ihre Rechnung kommen.

Auch bezüglich des Interieurs wurde eine optisch ansprechende Mischung gefunden. Wer Lust verspürt im bäuerlichen Speisezimmer-Ambiente sein Mahl zu sich zu nehmen, kann dies ebenso wie in modern und zeitgeistig eingerichteten Räumlichkeiten tun. Glück zu haben, ist ebenfalls eine auch auf das Klostergasthaus zutreffende Komponente. Zu den Mittagszeiten am Wochenende nahezu stets ausgebucht, ist es selbst an Wochentagen zu mittäglicher Essstunde nicht leicht einen Tisch seiner Wahl zu ergattern. Tisch-Vorbestellung ist deshalb ratsam.

Eine Steinwurfweite vom Gasthaus entfernt ist die Vinothek situiert. Sie spiegelt das großartige wie ebenso umfassende Angebot, vor allem der Thermenwinzer, wider. Im Mittelpunkt stehen natürlich die Weine des Stiftes Heiligenkreuz, die allesamt vor einigen Jahren von einem Quartett renommierter Winzer auf Vordermann gebracht wurden und nun im Konzert des vinophilen Orchesters völlig zu Recht eine tragende Rolle spielen.

Darüber hinaus wird noch „Schärferes“, wie eine recht ansehnliche Sammlung heimischer Destillate, ebenfalls durch klangvolle Namen angereichert, angeboten. Klein, aber fein auch die weiteren Greisslerei-Angebote, die entweder original oder in gekochtem Zustand genossen, die Herzen der Gourmets höher schlagen lassen. Weiters erfreulich ist die gebotene, jeweils wechselnde Gratis-Verkostung von Weinen des Guts oder anderer Thermenregion-Winzer.

Das Stiftsweingut Thallern ist jedenfalls ein Ort, an dem es sich lohnt, länger zu verweilen. Und wer im Zuge des Sich-Wohl-Fühlens mehrere Gläschen des köstlichen Rebensaftes als ursprünglich beabsichtigt verkostet hat, dem steht ein bequemer, verkehrskontrollfreier Nachhauseweg zur Verfügung. Kann doch das Freigut Thallern auf einen direkten Bahnanschluss in Form der nur rund zweihundert Meter entfernten Bahnstation Guntramsdorf-Thallern der Südbahn verweisen. Die Züge der S-Bahn verkehren stündlich nach Wien. Thallern ist also in jeder Hinsicht mehr als eine Reise wert.

Freigut Thallern Weingut & Stiftskellerei Heiligenkreuz GmbH
Thallern 1
2352 Gumpoldskirchen
Tel: +43 2236 534 77
www.freigut-thallern.at/de
www.klostergasthaus-thallern.at/de

Geschrieben von Stefan Weinbeisser